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»Gesundheit!« vorgetragen von Kerstin Pollmann
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25.10.03

Melanie Knapp

Gesundheit!

Echte Apotheker-Husten-Bonbons

Echte Apotheker husten Bonbons

Echte Apotheker husten Bonbons. Na so was. Wie ekelhaft. Da mal lieber kein Apotheker sein, oder wenn schon, ein gefälschter, und wie alle anderen Menschen grünen Schmodder husten. Und diese Brust-Karamellen, die ich mir wohltuend zuführe, haben die echt Apotheker gehustet? Verhustet, verpackt, verkauft – fertig! Was für ein Beruf!

Da gibt es wirklich ehrenwertere Berufe! Krankenschwester, beispielsweise, denn das ist, wie auf einem Plakat der Uniklinik Erlangen noch vor einem Jahr geworben wurde, die Alternative zum Hightech! Ein Glück, dass es da eine Alternative zu gibt, sonst müssten wir ja alle Halbleiter und Atomreaktormäntel entwickeln, und, mal ehrlich, so'n Atomreaktormantel, der wärmt doch nicht. Da nimmt es dann nicht wunder, wenn man sich erkältet und Schmodder hustet, der aussieht wie die grüne Würzpaste, die ich mir gekauft habe, als ich noch gesund war, oder eben Bonbons, je nach Beruf.

Jemand hat mir mal gesagt, ich würde irgendwie rund schreiben. Jetzt, so mit der Tastatur und so, sieht man das gar nicht, aber heute schreibe ich eh' krakelig, weil ich krank bin und mich schlapp und dösig fühle. Ich huste, bin heiser, lutsche Echte Apotheker Brust-Karamellen, die wohltuend bei Hustenreiz und Heiserkeit sind, und meine Gedanken drehen sich im Kreis.

Das ist schade, denn heute ist ja nicht nur das Ende der Sun Saving Time, also der Sommerzeit, sondern auch die Lange Nacht der Wissenschaften, in der geneigte Besucher u. a. erfahren können, wie ein Halbleiterkristallchip entsteht.

Das Ende der Sommerzeit entsteht jedenfalls per Zeitgesetz vom 25. Juli 1978, durch das die Bundesregierung nicht nur ermächtigt wurde, zur besseren Ausnutzung der Tageshelligkeit die mitteleuropäische Sommerzeit einzuführen, sondern auch die Bezeichnung der am Ende der mitteleuropäischen Sommerzeit doppelt erscheinenden Stunde zu bestimmen. Die Bundesregierung zeigte sich bei der Bestimmung der am Ende der mitteleuropäischen Sommerzeit doppelt erscheinenden Stunde jedoch recht einfallslos. Sie nannte die Stunde nicht »Die dunkle Stunde der Serenissima« oder »Home of the Stimmung Stunde«. Sie benannte sie auch nicht nach in Suchmaschinen ähnlich leicht zu findenden Begriffen und schon gar nicht nach einem Theaterstück von Helmut Haberkamm, in dem in der »g'schenkten Stund'« die Toten zurückkehren, um unerledigt gebliebene irdische Belange zu regeln.

Es ist eine schöne Vorstellung, dass die Toten in Erlangen die Gunst der Stunde nutzen können, um zu erfahren, wie ein Halbleiterkristall entsteht und im Fraunhofer Institut an einer Führung durch den Reinraum teil zu nehmen.

Als Alternative zum Hightech könnten sie aber auch in die Uni-Klinik spazieren und die Frisuren der Nachtschwestern inspizieren. Deren Hauptbestandteil sollten 12-14 große Haarrollen sein, empfiehlt ein Buch mit dem vielversprechenden Titel »Besser Leben«, das aus dem Jahr 1978 stammt und das Wesen optimaler Anpassung an alle Lebenslagen auf die einfache Formel bringt: frisch und fröhlich Aussehen.

Wie man das machen soll, wenn man bräsig und dösig ist, schmoddert und hustet, verrät das Buch nicht, aber da meine Pectoral Brust-Karamellen den Eindruck erwecken, als stammten sie aus ähnlich verrückten Zeiten, setze ich auf sie.

Den Nachtschwestern am Ende der Sommerzeit gelingt es ebenfalls nicht, wie die Visitenkarte ihres Hauses auszusehen.

Sie sind verknittert, weil sie nicht wie alle anderen Menschen eine Stunde länger schlafen dürfen, sondern eine Stunde länger arbeiten müssen. Wenn das gewohnt fortwährende Ticken der großen Stationsuhr erstirbt und der Zeiger gespenstisch still steht, reicht zur Versachlichung der Sinne nicht aus, dass die erste Stunde 2A heißt und die zweite Stunde 2B. Wahrscheinlicher erscheint es den bangen Schwestern, dass doch eher die Toten zurückkehren, prüfend ihre knöchernen Finger und Anklage erheben: Na, weißt du denn nicht, dass du als Krankenschwester so frisch und fröhlich aussehen solltest, dass sich deine Patienten darüber freuen und wieder ganz schnell gesund werden? Müssen denn noch mehr Unschuldige sterben?

Die Schwester senkt die nachtblau geschminkten Lider und seufzt: Wie soll ich fröhlich sein, wenn das Computersystem die Stunde 2B nicht erfassen kann und ich mich darum unbezahlt mit ewig gestrigen Toten herumärgern muss?

»Computersystem?« entfährt es den Toten. »Ist das Hightech?« Und ab sind sie zur langen Nacht der Wissenschaften, um Halbleiterkristalle zu züchten.

Die Schwester nimmt erleichtert eine Packung Pectoral Brust-Karamellen zur Hand, und liest kopfschüttelnd die Packungsbeilage: Echte Apotheker husten Bonbons.

Das ist ja ekelhaft. Da mal lieber kein Apotheker sein, oder wenn schon, dann zumindest kein echter, und wie alle anderen Menschen grünen Schmodder husten.

Ha-tschi!